Freitag, 17. September 2010

Zweifel trüben Goldglanz

Wie im Rausch stürzen sich Anleger auf das vermeintliche Krisenmetall und treiben den Goldpreis von einem Rekordhoch zum nächsten. Doch Skeptiker mahnen: Wichtige Stützen drohen wegzubrechen. Warnsignale sehen sie vor allem in Indien.
Der Investor George Soros mag in Gold die "ultimative Blase" sehen - die Anleger scheint das nicht zu stören: Der Preis für das Edelmetall kletterte am Freitag am Spotmarkt zeitweise auf das neue Rekordhoch von 1280,05 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Zuletzt war der Preis erst am Donnerstag auf einen neuen Höchststand gestiegen.

Gold profitiert von den enorm niedrigen Leitzinsen, die Investoren nach lukrativen Anlagemöglichkeiten suchen lassen, und seinem Status als vermeintlich sicherer Hafen. Sorgen um die Konjunktur in vielen Industrieländern und die Europäische Schuldenkrise haben Investoren aufgeschreckt. Allein seit Anfang dieses Jahres hat der Preis für das Edelmetall 16 Prozent gewonnen. "Bis die Sorgen der Investoren um die Konjunkturerholung ausgeräumt sind und die Zinsen steigen, werden Goldpreise voraussichtlich weiter frische Höchststände testen", sagt Suki Cooper von Barclays Capital.

Dabei haben sich die Wahrnehmungen der Anleger durchaus verschoben. Traditionell gilt Gold als Schutz vor Inflation. Die letzte lange Goldrally gab es Ende der 1970er-Jahre, als die Weltwirtschaft unter Ölpreisschocks und Inflation litt. Auch nach der jüngsten Finanzkrise fürchteten viele Investoren angesichts der enorm lockeren Geldpolitik vieler Notenbanken zunächst vor allem einen Anstieg der Teuerung.

Dafür gibt es allerdings kaum Anzeichen. Im Juli legten die Verbraucherpreise in den USA um 0,3 Prozent zu, es war das erste Plus zum Vormonat seit März und der größte Anstieg seit April 2009. Hätten die Energiepreise nicht stark zugelegt, wären die Preise allerdings weiter zurückgegangen. Vor diesem Hintergrund wächst eher die Furcht vor einer Deflation - die für Notenbanken deutlich schwerer zu bekämpfen ist als Inflation, wie das Beispiel Japan zeigt. Das Land stemmt sich seit Jahren erfolglos gegen eine Deflation.

Der Chef der Notenbank Fed, Ben Bernanke, sagte Ende August, die Zentralbank werde sich einer solchen Entwicklung "entschlossen widersetzen". Anleger scheint das nicht zu beruhigen - aus Sicht von Jonathan Spall, Direktor für Rohstoffe bei Barclays Capital, haben sie den Glauben an die Notenbanken verloren und betrachten Gold nun als Absicherung gegen beide Szenarien.

"Die Entwicklung des Goldes in jüngster Zeit ist zum Teil auf die niedrigen Zinsen zurückzuführen, die alle Investments natürlich attraktiver machen, aber noch mehr auf ein Gefühl, dass Zentralbanken nicht mehr Herren ihres Schicksals sind", schreibt Spall in einem Gastbeitrag für die Financial Times. "Es ist einfach so, dass Gold in Zeiten, in denen das Finanzsystem angespannt ist, generell als wirkungsvoll angesehen wird."

Unabhängig davon betrachteten viele Anleger das Edelmetall aber auch schlicht als lohnenswerte Investition. Selbst auf positive Konjunkturnachrichten habe der Preis letztlich nicht negativ reagiert, schreiben Rohstoffanalysten der DZ Bank. "Dass lässt unseres Erachtens den Schluss zu, dass Gold zunehmend auch als Basisinvestment betrachtet wird. Kein Wunder: Denn Gold weist im Rohstoffbereich aktuell die geringste Korrelation mit den Aktienmärkten auf."
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