Donnerstag, 8. Juli 2010

SPEKULATIONEN ÜBER LIQUIDITÄTSNOT BEI BANKEN - Banken plündern ihre Goldvorräte

In der Krise stieg der Preis für das Edelmetall scheinbar unaufhaltsam an. Jetzt sinkt er wieder, weil Geldinstitute Gold als Sicherheit für frische Liquidität hinterlegen. So wie der Dollar als "sicherer Hafen" angezweifelt wird, gibt es erste Kratzer am Gold-Nimbus.

Erstmals seit Ausbruch der großen Finanzkrise wackelt der Nimbus des vermeintlichen Krisenmetalls Gold. Auslöser sind milliardenschwere Goldgeschäfte der Superzentralbank BIZ, die in einer Fußnote des jüngsten Jahresberichts des Instituts dokumentiert sind. Demnach haben Banken im ersten Quartal die beispiellose Menge von 346 Tonnen Goldpreis bei der BIZ hinterlegt - um dafür im Gegenzug rund 13 Mrd. Dollar frische Liquidität zu erhalten. Anleger reagierten nervös auf die Berichte. Der Goldpreis fiel bis auf 1189 Dollar und damit den tiefsten Stand seit sechs Wochen.

Dass die Banken ihre Goldvorräte plündern, bedeutet zwar nicht, dass das Edelmetall damit auf den freien Markt gelangt ist. Vielmehr handelte es sich um sogenannte Swap-Geschäfte, die zu einem vereinbarten Zeitpunkt ausgeglichen werden. Sollten die Banken allerdings nicht in der Lage sein, die Milliarden zurückzuzahlen, bliebe die BIZ auf dem Gold sitzen - und könnte letztlich gezwungen sein, das Metall am Markt zu verkaufen, was den Preis einbrechen ließe. 346 Tonnen entsprechen knapp 60 Prozent der globalen Goldfördermenge im ersten Quartal dieses Jahres.

Für weitere Verunsicherung sorgten Einschätzungen, dass keine normalen Geschäftsbanken, sondern Notenbanken hinter den Deals stehen. Darauf weise die enorme Menge von 346 Tonnen eindeutig hin, sagten mehrere von der FTD befragte Experten. "Vor allem südeuropäische Zentralbanken kommen als wahrscheinliche Swap-Partner der BIZ infrage", so der Commerzbank-Analyst Eugen Weinberg.

Ein Rohstoffhändler, der ungenannt bleiben wollte, meinte: "Jeder im Markt will wissen: Welche Zentralbank hat das Gold verkauft? Denn klar ist: Dieses Land hat offenbar große Angst, wenn nicht sogar ernsthafte Liquiditätsprobleme." Die BIZ - die Abkürzung steht für Bank für Internationalen Zahlungsausgleich - wies diese Darstellungen zurück. Die Transaktionen seien allesamt mit Geschäftsbanken abgeschlossen worden.

Dem Goldmarkt, der in den vergangenen Monaten vielen Investoren als sozusagen letzter Zufluchtsort diente, droht nun eine Zäsur. Seit der Lehman-Pleite im Herbst 2008 ist der Preis für das Metall quasi unaufhaltsam von damals 720 auf bis zu 1256 Dollar gestiegen. Dazu trugen zuletzt weltweit auch die Notenbanken bei, die jahrelang per saldo auf der Verkäuferseite standen - jüngst aber zu den größten Nettokäufern zählten. Sollten nun klamme Zentralbanken ihr Gold auf den Markt werfen, könnte dies das Vertrauen in das Metall unterminieren.
Weiterlesen