Es wäre ein Trugschluss, anzunehmen, wir hätten mit dem Euro das einstige Europa der zwei Geschwindigkeiten überwunden. Im Gegenteil. Die fiskalischen Unterschiede der Eurostaaten sind, trotz der gemeinsamen Währung, dennoch nie verschwunden und zeigen erst heute, unter dem Einfluss des Euro und in Verbindung mit der Staatenkrise, ihre verheerende Wirkung. Die Frage lautet nicht mehr, ob der Euro zusammenbrechen wird, sondern nur noch wann.
Dass sich die neue Kunstwährung über kurz oder lang verabschieden wird, steht jedenfalls fest. Dies verspricht zumindest Professor Wilhelm Hankel, ehemaliger Chefökonom der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW). Den Versuch, heute 16- und künftig 27 Länder unter einen Eurohut zu bringen, erklärt der ehemaliger Leiter der Abteilung Geld und Kredit im Bundesfinanzministerium für längst gescheitert.
Das einstige Währungseuropa bestand im harten Kern aus sechs Gründerländern. Deutschland mit seiner stabilen D- Mark. Dann folgten die Schweiz, Österreich, die Niederlande, Frankreich und Großbritanien. All diese Länder hatten nie Probleme mit den Wechselkursen untereinander, denn ein jedes war, für sich betrachtet, mit einem gesunden, prosperierenden Staatshaushalt gesegnet, die Währungen waren stabil. Und das wirkte sich zugleich auch günstig auf die Zinsen der jeweiligen Staaten aus. Jeder Staat muss, um seine laufenden Ausgaben decken zu können, regelmäßig von den Banken Kredite aufnehmen. Diese lagen bei europäischen Hartwährungsstaaten wie Deutschland bei ungefähr 6- 7 Prozent. Bei den Mittelmeeranrainern, die in erster Linie vom Tourismus lebten und weniger auf Export gesetzt hatten, war die Lage hingegen eher blassrosa. So lagen die Zinsen in Italien vor Euroeinführung bei 14 Prozent, in Spanien sogar bei 18 Prozent. Weitere europäische Weichwährungsstaaten waren Portugal, Griechenland und Irland. Mit der Euroeinführung wurden all diese unterschiedlich stabilen Währungen zu einer einzigen, gleichstarken Währung vereint. Mit dem Erfolg, dass die Hartwährungsstaaten, allen voran Deutschland, nun für die wirtschaftlichen Kalamitäten der weniger stabilen Staaten gerade stehen müssen. Und diese nutzten die Situation in der Vergangenheit hemmungslos aus indem sie sich immer mehr verschuldeten und ihre eigenen Leistungsbilanzen fälschten. Solange die Sonne täglich schien, war dies auch durchaus zu stemmen. Aber heute, im Zuge der größten Weltwirtschaftskrise seit dem schwarzen Freitag von 1929, knirscht es gefährlich im Gebälk der Mediteranstaaten. Konnten sie derartige Wirtschaftsgefälle bislang durch Geldabwertung und das europäische Wechselkurssystem ausgegleichen, so sind sie heute auf Gedeih und Verderb an eine Hartwährung gebunden, die eigentlich drei Nummern zu groß für sie ist. Und das hat Folgen, für den Euro, besonders aber für Deutschland.
Als einstiger Exportweltmeister stecken wir gleich doppelt in der Patsche.
Einerseits stecken unsere wichtigsten Abnehmer, nämlich die europäischen Nachbarstaaten, noch tiefer in der Krise als wir, so dass wir auf unseren Exportwaren sitzen bleiben. Andererseits leiden wir unter der Billigkonkurrenz aus dem außereuropäischen, insbesondere dem asiatischen Raum. Jene Eurostaaten, die nur auf Export gesetzt haben, werden ihren Arbeitsmarkt daher nicht mehr lange halten können. Auf lange Sicht besteht kein Grund zur Hoffnung auf einen Ausweg aus der Krise. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass die sozialen Sicherungssysteme, den wirtschaftspolitischen Sachzwängen folgend, auch weiterhin abgebaut werden. Ob Harz IV, Kindergeld oder Rente, dass Schlimmste kommt erst noch und es wird vor allem jene treffen, die derzeit ohne Arbeitsplatz dastehen.
Jeder primären Krise folgt eine sekundäre Krise
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