Mittwoch, 14. September 2011

Interview mit Bundesverwaltungsrichter Deiseroth: Das schreit geradezu nach Aufklärung!

Bundesverwaltungsrichter Dieter Deiseroth über die Rechtmäßigkeit des Afghanistan-Krieges und der Frage, ob die Terroranschläge in den USA aus rechtstaatlicher Sicht ausreichend aufgeklärt wurden. Dieter Deiseroth ist seit 2001 Richter am Bundesverwaltungsgericht und Experte für Völker-, Verwaltungs- und Verfassungsrecht.

Er hat den Sammelband "Der Reichstagsbrand und der Prozess vor dem Reichsgericht" und, zusammen mit dem früheren Präsidenten des Internationalen Gerichtshofs, M. Bedjaoui, das Buch "Völkerrechtliche Verpflichtung zur nuklearen Abrüstung?" herausgegeben. In einem Artikel in der Frankfurter Rundschau hat Deiseroth jüngst den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr kritisch betrachtet: Deutschlands "Kampfeinsatz". Jenseits des Rechts.
Die militärischen Kampfeinsätze der Bundeswehr in Afghanistan werfen gravierende rechtliche Probleme auf.


Frage:
Eine kürzlich geführte repräsentative Umfrage in Deutschland kam zu dem Ergebnis, dass 69 Prozent der Bundesbürger einen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan fordern. Anfang 2010 wird es eine neue Afghanistan-Konferenz geben. Möglicherweise wird danach das deutsche Parlament der Entsendung weiterer deutscher Soldaten nach Afghanistan zustimmen. Der Einsatz in Afghanistan dauert nun schon gut 8 Jahre, die Bundeswehr ist dort seit 2002. Wie bewerten Sie die rechtliche Grundlage des Bundeswehr-Einsatzes?

Dieter Deiseroth: 
Ihre Frage zielt zum einen auf das geltende Völkerrecht und zum anderen auf das innerstaatliche Recht, also auf die deutsche Verfassung, das Grundgesetz. In beiderlei Hinsicht werfen die militärischen Kampfeinsätze der Bundeswehr und der Verbündeten in Afghanistan gravierende rechtliche Probleme auf. Analysiert man diese, so gelange ich zu der Schlussfolgerung, dass weder eine hinreichende völkerrechtliche noch eine hinreichende verfassungsrechtliche Grundlage für diese Einsätze vorhanden ist.
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